Dr. Johann-Frederik Schuldt

Dr. Schuldt hat in seiner 2017 bei Nomos erschienenen Dissertation "Mietpreisbremse - Eine juristische und ökonomische Untersuchung der Preisregulierung für preisfreien Wohnraum" in herausragender Weise interdiziplinär die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Mietpreisbegrenzungen (insbesondere der seit 2015 geltenden sog. Mietpreisbremse in §§ 556d ff. BGB) und deren ökonomische Sinnhaftigkeit untersucht. 

 

In der Laudatio, die Prof. Dr. Börstinghaus anlässlich der Preisverleihung auf dem Deutschen Mietgerichtstag am 16. März 2018 gehalten hat, heißt es:

 

"Es ist zu befürchten, dass das Mietrecht auch in der kommenden Legislaturperiode nicht zur Ruhe kommen wird. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD ist hinsichtlich der sog. Mietpreisbremse vereinbart, dass die „Mietpreisbremse“ auf Geeignetheit und Wirksamkeit bewertet werden. Immerhin sollen dabei ausdrücklich deren praktische Bedeutung und die Erkenntnisse aus der Rechtsprechung berücksichtigt werden. Vielleicht sollte man darüber hinaus auch die Erkenntnisse der Wissenschaft zur Kenntnis nehmen. Und da gibt es ein Werk, dass ich allen Akteuren in Berlin sehr an Herz legen möchte und damit komme ich zu einem Punkt, den Sie dem aktuellen Programm nicht entnehmen können:

Der Vereinszweck des Deutschen Mietgerichtstag e.V. ist nämlich auch die Förderung von wissenschaftlichen Leistungen und Forschungen auf den Gebieten des Mietrechts. Zu diesem Zweck hat der Deutsche Mietgerichtstag e.V. im Jahr 2003 den Schmidt-Futterer Preis ausgelobt. Der Preis ist dem Andenken an Wolfgang Schmidt-Futterer gewidmet, dem Protagonisten eines rechtsdogmatisch präzisen, die sozialen und wirtschaftlichen Problemlagen sensibel aufnehmenden, wissenschaftlich vertieften Mietrechts. Der Preis ist bisher zweimal, nämlich 2004 an Dr. Franz-Georg Rips für seine Arbeit über die Barrierefreiheit und 2006 an Prof. Dr. Friedemann Sternel für sein Lebenswerk, vergeben worden.

In diesem Jahr hat der Vorstand die Arbeit eines jungen Wissenschaftlers ausgewählt, der sich sorgfältig und ausführlich mit der „Mietpreisbremse“ beschäftigt hat. Das Besondere an der Arbeit ist, dass seine Untersuchung das neue Instrument nicht allein aus Sicht des Privat- und Verfassungsrechts betrachtet, sondern auch aus der Sicht der Ökonomie und der Regulierungstheorie. Dr. Johann-Frederic Schuldt hat die ökonomischen Auswirkungen der Begrenzung der Wiedervermietungsmiete auch für Juristen überzeugend und nachvollziehbar herausgearbeitet und aufgrund dieser Ergebnisse die neuen Vorschriften bewertet. Das ist für Juristen ein sicher ungewöhnlicher und auch mutiger Weg. Er entspricht aber einer der Grundüberlegungen des Deutschen Mietgerichtstages „über den Tellerrand des Mietrechts“ hinauszusehen. Das haben wir in der Vergangenheit selbst ja immer wieder versucht.

Das neue Instrument der Begrenzung der Wiedervermietungsmiete stellt einen Paradigmenwechsel im Bereich des Miethöherechts dar. Es greift tief in die Wurzeln unseres Privatrechts ein. Deshalb ist die Diskussion über Sinn und Unsinn der Regelung häufig auch so heftig. In der FAZ war von der „Büchse der Pandora“ die Rede, die der Gesetzgeber geöffnet hat. Herr Dr. Schuldt geht auf die Argumente sämtlichst umfassend ein und kommt zu einem eigenen Ergebnis. Dies beruht auf einer verfassungsrechtlichen Argumentation. Dazu hat er die Rechtsprechung des BVerfG zu den bisherigen Beschränkungen der Mieterhöhungen im Bestand sorgfältig analysiert. Es ist schwer, diese umfassende Argumentation in der mir verbliebenen Kürze der Zeit darzustellen. Hingewiesen sei an dieser Stelle auf die Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Beschränkung der Neuvertragsmiete und der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete. Durch eine Beschränkung der Neuvertragsmiete besteht zumindest die Gefahr, dass der Marktbezug der ortsüblichen Vergleichsmiete verloren geht. Zu befürchten sei ferner, dass die Mietpreisbremse aufgrund von Verdrängungen eher zu einer Wohnungsknappheit führen werde. Es würden mehr Eigentumswohnungen gebaut oder bestehende Wohnungen in solche umgewandelt.

Dr. Schuldt hält die Ermächtigungsgrundlage für eine entsprechende LandesVO deshalb teilweise für verfassungswidrig, weil diese den Ländern erlaube auch nur Gemeindeteile in die VO aufzunehmen. Das widerspricht diametral den bisherigen Entscheidungen und Aufsätzen, die die Unwirksamkeit einzelner Verordnungen u.a. damit begründet haben, dass die ganze Gemeinde in die VO aufgenommen wurde, obwohl insbesondere in Randlagen der Gemeinden gar keine Wohnungsknappheit herrschte. Das entspricht im Übrigen auch den neuesten Untersuchungen des DIW. Problematisch wird die Auffassung unseres Preisträgers aber nur in Hessen, das als einziges Bundesland Gemeindeteile von der Anwendung ausgenommen hat. Nach meiner Einschätzung ist das für die Hessen aber noch das kleinste Problem! Anders als die 67. Kammer des LG Berlin kann Dr. Schuldt aber keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG erkennen.

Zuletzt schlägt Dr. Schuldt eine verfassungsrechtlich gebotene einschränkende Auslegung der Ermächtigungsgrundlage dahin gehend vor, dass nur solche Gemeinden in eine VO aufgenommen werden dürfen, für die ein Mietspiegel existiert. Dem kann ich mich zumindest im Ergebnis nur uneingeschränkt anschließen.

Mir ist bewusst, dass die Ergebnisse dieser Monografie nicht allen gefallen, weshalb im Vorfeld des Mietgerichtstages bereits Kritik an der Entscheidung des Vorstandes geäußert wurde. Dem Deutschen Mietgerichtstag geht es nicht darum, eine bestimmte Rechtsauffassung zu prämieren. Wir waren und sind immer neutral und pluralistisch. Uns geht es um exzellente juristische Arbeit. Und genau darum handelt es sich bei der Dissertation von Herrn Dr. Schuldt. Dazu gratuliert ihm der Vorstand ganz herzlich und überreicht ihm nunmehr den diesjährigen Schmidt-Futterer-Preis."